Vom 17.04. – 21.04.2025 fand in diesem Jahr des grenke Chess Open im Kongresszentrum in Karlsruhe statt. In der Summe waren über 3000 Teilnehmer gemeldet, die sich auf jeweils drei Open Turniere im klassischen und im freestyle Schach (Schach 960) verteilten. Bei einem solchen Mega-Turnier durfte natürlich der SC Stetten a.d.F. auch nicht fehlen.




Wir hatten sogar in Mannschaftsstärke gemeldet und so fanden sich vor dem Turnier die folgenden Spieler in der Meldeliste: Fritz Zöllmer, Difu Liu, Simon Hoffmann, Julian Hoffmann, Kai Kerpe und Kai Böhm (das bin ich). Kai Kerpe konnte dann leider krankheitsbedingt doch nicht teilnehmen, so dass seine erste Turniererfahrung noch etwas auf sich warten lässt. Die anderen Stettener haben bereits umfangreiche Turnier- und Liga-Erfahrung sammeln können, so war für sie eher das Drumherum besonders.
Wie üblich bei Open-Turnieren sind alle Ergebnisse, nationale und internationale Wertungen auf chess-results.com einsehbar. Wer an tieferen Einblicken interessiert ist, darf sich gerne dieser Quelle bedienen.
Tag 1
Der erste Tag stand im Zeichen der Auslosung und des ersten Spiels. Mir gefällt bei Turnieren dieses Veranstalters, dass es die Möglichkeit zu einem Online-Check-in gibt und ein Spieler dadurch nicht schon Stunden vor dem Turnierstart anwesend sein muss, um einen Meldezettel auszufüllen. Wie bei Erstrundenpartien gewohnt ging es mit etwas Verspätung irgendwann nach 19 Uhr los. Wir erwischten alle keinen Sahnetag und starteten jeweils mit 0 Punkten ins Turnier.
Simons Gegner gelang es einen Bauern umzuwandeln, so dass die Partie danach entschieden war. Ich vollzog eine “Rochade from Hell” um Rafael zu zitieren, was meiner Gegnerin zunächst einen Figurengewinn und etwas später den Mattangriff ermöglichte, wie in der folgenden Partie zu sehen ist. Fritz unterschätzte seinen Gegner etwas, da er nur auf die ELO achtete und nicht sah, dass er eine DWZ von über 1900 hatte und auf der Basis eher in die obere Hälfte der Setzliste gehört hätte.
Tag 2
Hoffentlich mit etwas ausgeschlafeneren Stettenern stand der zweite Tag auf dem Plan. Fritz konnte beide Spiele gewinnen, dadurch einen katastrophalen Fehlstart vermeiden und wieder auf Kontakt zur Spitze hoffen.
Simon spielte in seiner zweiten Partie gegen einen deutlich stärkeren Spieler und landete durch eine passive Spielweise in einer eingeengten Stellung, die er nicht halten konnte. In der dritten Runde stellte sein Gegner im Mittelspiel seinen Turm einzügig ein, so dass auch Simon seinen ersten Punkt verbuchen konnte.
Julian konnte in seiner dritten Partie einen halben Punkt sichern. Difu schloss den Tag mit 1,5 Punkten ab. Damit sollte ich derjenige bleiben, der keine Punkte zur Mannschaftswertung beisteuern konnte. Eigentlich, nach einem Turmopfer meines Gegners, etwas besser stehend, gab ich den Vorteil schon kurz danach ab und konnte die Partie nicht mehr halten, die nachfolgend zu sehen ist.
Tag 3
Leider startete Julian etwas geknickt mit der folgenden Partie in den dritten Turniertag, mit einem etwas besseren Zeitmanagement wäre sicherlich mehr drin gewesen wie unten zu sehen ist.
Nachdem ich noch etwas mit meiner Zweitrundenpartie haderte, konnte ich in der vierten Runde ebenfalls einen Punkt einfahren, wenn auch etwas glücklich, da ich zwischenzeitlich doch unter Druck stand (s. Partie unten).
In der 5. Runde gingen wir beide leer aus. Wobei ich seit langer Zeit einen einzügigen Einsteller zu beklagen hatte. Fritz gewann weitere 1,5 Punkte am 3. Turniertag und Difu erhielt einen Punkt dazu. Simon stellte in der 4. Runde einen Bauern ein, dieser kleine Vorteil war für seinen Gegner ausreichend, die Partie zu gewinnen. In der 5. Runde ergab sich eine geschlossene Stellung in der er sich mit einem Gegner auf ein Remis einigte.
Tag 4
Am 4. Turniertag sehnten einige der Spieler, die um mich herum saßen, bereits das Ende des Turniers herbei. Difu, der gefühlt fast immer, wenn ich die Gelegenheit hatte zuzusehen, ausgeglichen stand, litt unter einer nachlassenden Punkteausbeute und konnte an diesem Tag nur noch einen halben Punkt holen.
Simon lehnte in der 6. Runde einen Damentausch ab, was seinem Gegner einen entscheidenden Tempogewinn brachte und in der Folge brach Simons Stellung wie ein Kartenhaus zusammen. In der 7. Runde lief es besser nachdem sich einige Figuren abtauschten und er einen Zentrumsbauern gewinnen konnte, der anschließend ausreichte um die Partie zu gewinnen, wie nachfolgend zu sehen ist.
Ich gab in der 6. Runde ein sicheres Remis aus der Hand, da ich der Meinung war einen Bauern durchbringen zu können, was sich letztlich als Trugschluss erwies. In der 7. Runde fand ich nach einem sehr guten Start die korrekte Fortsetzung leider nicht und musste mich dann zwischenzeitlichem Druck meiner jungen Gegnerin erwehren. Im Endspiel gelang es mir dann jedoch, das Spiel zu meinen Gunsten zu drehen.
Julian nutzte am Vormittag seine aktive Stellung zu einem Punktgewinn wie in der unten gezeigten Partie zu sehen ist. Auch am Nachmittag konnte er durch ein Remis einen halben Punkt gewinnen. Er zeigte keine Anzeichen von Müdigkeit.
Fritz spielte am Vormittag eine sehr lehrreiche Partie was die Regelkenntnisse betrifft. Fritz gibt in seiner Anmerkung zu bedenken, dass der Gegner einfach weiterzog. Fritz hatte mit seinem Zug und dem Drücken der Uhr jedoch seinen Zug bereits abgeschlossen. Was der Gegner dann in seiner Bedenkzeit macht, bleibt einzig und allein ihm überlassen. Somit war es sein gutes Recht die dreifache Stellungswiederholung zu ignorieren. Diese nur gegenüber dem Gegner zu reklamieren hilft in dem Fall leider nicht, sondern funktioniert nur, wenn sich beide einig sind. Um sicherzugehen ist eine Reklamation gegenüber dem Schiedsrichter notwendig und dabei ist das “Wie” durchaus entscheidend. Wenn sich die Stellungswiederholung bereits durch den Zug des Gegners ergeben hätte, dann hätte Fritz die Uhr anhalten können sobald er am Zug war und den Schiedsrichter holen können. Allerdings war Fritz am Zug und erst durch seinen Zug kam es zu der Stellungswiederholung. Das Vorgehen ist dann wie folgt, der Zug wird nicht ausgeführt, sondern lediglich auf dem Partiezettel notiert, danach wird die Uhr angehalten und der Schiedsrichter hinzugezogen mit dem Hinweis, dass der Zug der notiert wurde, der Zug ist der zur Stellungswiederholung führen würde. Wichtig ist dabei auch, dass bei der Stellungwiederholung derselbe Spieler am Zug sein muss, ansonsten ist es nicht die gleiche Stellung.
Da es Fritz gelang die Partie im Anschluss Remis zu halten, hielt sich der Schaden zum Glück in Grenzen. Im Nachmittagsspiel kam ein voller Punkt hinzu, so dass Fritz doch noch eine Möglichkeit haben könnte in der Tabelle weiter oben anzugreifen.
Tag 5
Am letzten Spieltag konnten wir alle nochmal unsere Punktekonten aufbessern. Simon ergatterte einen halben Punkt in seiner 8. Partie wie unten zu sehen ist. In seiner Schlussrunde geriet er in eine Eröffnungsfalle und sein Gegner beendete die Partie anschließend im Blitzmodus mit 1:42h auf der Uhr (er gewann also 12 Minuten).
Fritz verlor seine Partie am Vormittag und fand mit der unten gezeigten Partie zu einem versöhnlichen Turnierabschluss, welches er mit 6 Punkten beendete.
Difu holte am letzten Tag einen halben Punkt in seiner Abschlusspartie. Julian blieb mit zwei Remis am letzten Tag ungeschlagen. Ich kam am Vormittag sehr deutlich unter die Räder ohne einen offensichtlichen Fehler gemacht zu haben, aber ein bis zwei verschwendete Tempi zu viel ergaben eine Stellung, die ich nicht mehr halten konnte. Am Nachmittag fühlte es sich ein wenig nach einer Strafarbeit an, da sich bereits alle Stettener Kollegen bereits verabschiedet hatten und ich gerade mal das Mittelspiel erreicht hatte. Jedoch konnte ich meine letzte Partie durch eine Taktik, nach Aufgabe meines Gegners, für mich entscheiden.
Nebenschauplätze
Bei einem Turnier dieser Größenordnung begegnete einem ständig die Schachprominenz. Auffallend war, dass sich in erster Linie Richard Rapport und Levon Aronian immer wieder Zeit für Selfies und Autogramme nahmen. Ansonsten waren nahezu alle großen und bekannten deutschen Schachstreamer am Start, nur Rafael Kloth konnte ich nicht entdecken, er scheint schon genügend Werbepartner zu haben.
Darüber hinaus gab es dann noch die kleinen Geschichten, die ein solches Turnier erzählt. Ein Bekannter von Fritz durfte in der ersten Runde gegen Magnus Carlsen antreten. In meinem Hotel begegnete mir mehrere male The Big Greek beim Frühstück oder im Fahrstuhl. In den Mittagspausen speisten Magnus Carlsen oder Fiona Steil-Antoni nur ein paar Tische weiter.
Am letzten Spieltag teilten sich Julian, Simon und ich einen Hauseingang als Regenschauerschutz gemeinsam mit GM Niclas Huschenbeth.
Fazit
Insgesamt war es ein sehr gut organisiertes Turnier, welches insgesamt in einer anderen Dimension ist. Da bereits vier Teilnehmer ausreichten, um in der Mannschaftsbewertung berücksichtigt zu werden, erreichten wir den 57. Platz von 69. Mannschaften. Da wir bis auf Fritz eher zu den unteren 25 % der Setzliste gehörten ist das durchaus ein beachtenswertes Ergebnis. Ich schloss das Turnier ebenfalls mit 3 Punkten ab, hatte jedoch nur 30,5 Buchholzpunkte.

Ich würde mich freuen, wenn wir bei zukünftigen Turnieren mit ähnlicher Team-Stärke am Start wären. Es macht doch deutlich mehr Spaß, wenn ein Mitfiebern oder Mitleiden mit anderen Stettenern möglich ist.
4 Comments
Tom · 27. April 2025 at 17:26
Ich bin sehr gespannt, ob es kommendes Jahr noch einmal ein Turnier in diesem Stil geben wird. Wenn der Hauptsponsor wegfallen sollte, dann war es das leider mit dem Turnier. Toll finde ich, dass Difu als jüngster Mitspieler sich in so einem großen Turnier der Herausforderung gestellt hat und sich auch sehr achtbar geschlagen hat! Da wächst offenbar ein echter Turnierspieler nach! Ein großes Dankeschön an Kai für den netten Bericht!
Rafael · 28. April 2025 at 18:38
Fünf Tage mit 9 Runden sind leider zu viel um es noch in meinem Arbeits- und Youtube-Alltag unterbringen zu können. Ich habe stattdessen eine Woche Videos gedreht und die zweite Osterwoche an der Ostsee die Akkus aufgeladen. Mitgefiebert habe ich trotzdem, vielen Dank für den tollen Bericht!
Fritz · 4. May 2025 at 10:23
Danke für die schön dokumenierten Partien. Ich bin in der Vergangenheit noch nie in die Verlegenheit gekommen, 3fache Stellungswiederholung zu reklamieren. War insofern eine lehrreiche Erfahrung.
Dass ich noch abwickeln konnte und dann mit Springer gegen Turm das Remis hielt, war Kampf pur und der Umstand, dass diverse Springergabel-Drohungen meinen Gegner in Zeitnot brachten.
Für das Freestyle-Format (Auslosung der Grundstellung vor Beginn der Partie) interessierten sich die Medien mehr als für Normalschach. Wir werden uns künftig wohl auch mit diesem Format beschäftigen müssen.
Tom · 4. May 2025 at 15:14
Schach 960 gibt es schon lange, es wurde von Bobby Fischer erfunden. Was jetzt stattfindet ist, dass diverse geldgierige Kreise versuchen Schach-960 in “Freestyle” umzutexten, um es für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, etwas “NEUES” zu suggerieren, was es nicht ist. Auch jetzt schon erkennt man Tendenzen, dass die gelobte angebliche “Theoriefreiheit” sich sehr schnell zu einer Theorielast entwickeln werden, die jüngsten Buchveröffentlichungen und Online-Kurse zeigen das deutlich. Es geht in erster Linie nur darum, dass sich gewisse Leute und Interessensgruppen unter diesem Label versuchen sich noch besser und schneller die Taschen vollzumachen. Das Grenke-Turnier zeigt, dass dafür erhebliche Mittel eingesetzt werden, um das Interesse künstlich zu puschen und einen künstlichen Hype zu inszenieren. Es bleibt abzuwarten, wie viel heiße Luft aus diesem Ballon entweichen wird, wenn diese Phase abebben wird oder die Geldgeber verschwinden werden, wie sie gekommen sind. Schach-960 gab es schon lange und wird es auch weiterhin geben. Die Mutter des Schachspiels ist das klassische Schach und wird es auch weiter bleiben, sobald die gierigen Dollar-Heuschrecken weiter ziehen werden. Positiv ist, für das Schach allgemein entsteht, mehr Aufmerksamkeit, das ist sicher keine schlechte Entwicklung. Lotterie-Schach ist eine nette Abwechslung, aber mehr auch nicht. Dann doch lieber Schottern!