Was, bin ich im falschen Film? Hier geht es doch um Kreisliga, das Patzertum an sich, wie passt das ein Bericht zu Kandidatenturnier. Passt nicht, basta!
Markus hatte das Glück (oder Pech, schließlich fiel dem die Schach-AG zum Opfer, mit Rafael als Ersatz), geschäftlich nach Berlin zu müssen. Und glücklicherweise war es ein nur kurzer Termin, so dass fast der ganze Nachmittag zur freien Verfügung stand. Was lag da näher, als im Kühlhaus in Berlin vorbeizuschauen (bei gefühlten Minus 10 Grad und einer anfliegenden Grippe, aber man gönnt sich ja sonst nichts. Und die Lokation an sich war schon … erstaunlich. Wären die großen Plakate usw. nicht gewesen, man hätte sich in einer Industriebrache vermutet.
Drinnen ging es dann ganz schachlich zu. Schon beim Eingang wurde man von Geschichte überfallen, und je nach Tickettyp (ich war der billige, startete bei 22€, Preise über 100€ konnte man bezahlen, wer wollte) bekam man ein weißes (billig), silbernes (etwas mehr) oder goldenes Band (teuer, teuer) ums Handgelenk. Als ich fragte, ob ich den Rucksack mitnehmen könne, war die Antwort: „Wenn ich keinen Krach damit machen würde.“ Und so ging es dann in den Ebenen 0, 1 und 2 auch zu. Überall standen Helfer mit dem Schild „Silence“ (Deutsch: Stille) in der Hand.
Der Spielraum an sich war und ist sehenswert, leider bekam ich den mit meiner einfachen Kamera (Blitz war natürlich nicht erlaubt) nicht angemessen ins Bild, ich hoffe, die Bilder geben ein wenig den Eindruck wieder. Schon schräg: 8 Spieler, durch hohe Stellwände (alles in Schwarz und Gold) voneinander getrennt, und absolute Ruhe die ganze Zeit. Die meisten Spieler voll konzentriert am Brett, aber jeder mit seinen Eigenheiten. Unten in der teuren Ebene wenige Zuschauer (ich vermute nicht mehr als 10-20), im billigen ersten Rang waren es dann zu Hochzeiten 40-50, im teureren silbernen zweiten Stock wieder nur ein paar Handvoll. Im „Spielbereich“ (sprich: Analysebereich) waren es dann mal 30-40 Zuschauer. Also wieder kein Großereignis, auf jeden Fall wenig Kameraträchtig.
Kramnik spielte zu Beginn recht flott, machte den Eindruck, dass es ihm leicht von der Hand ginge. Caruana und Karjakin in einen Theoriekampf verbissen, mit einer Neuerung und einem überraschend schnellen und friedlichen Ende. Zu dem Zeitpunkt waren die zwei Großmeister (Georg Maier kannte ich, der andere hatte einen russisch klingenden Namen, sprach aber excellent Deutsch) noch immer am analysieren, wie jetzt was hätte, wäre, wenn … als die Spieler schon remis gemacht hatten und auf dem Weg zur Pressekonferenz waren.
Gegen 18:00 Uhr waren sich dann auch Mamedyarov und Ding einig geworden, nur in der Analyse dann nicht mehr. Das English von beiden war aber für mich so ungewohnt, dass ich ehrlicherweise bis auf die Stimmung nichts mitnehmen konnte. Richtig heiß her ging es am Ende bei Aronian gegen Grischuk. Aronian immer noch von der Niederlage gegen Kramnik gezeichnet, hatte sich einiges vorgenommen, und sich einen kleinen Vorteil auf dem Brett, vor allem einen großen Zeitvorteil erspielt. Am Ende musste Grischuk mit nur 30 Sekunden auf der Uhr jederzeit die richtige Entscheidung treffen. Dabei fand er einen genialen Zug, der das Spiel dann fast noch drehte.
Irgendwann war dann mein Akku auch leer, und der Husten nahm zu, so dass ich mich schon gar nicht mehr in den Spielraum trauen konnte. Ich machte mich (bei zwei noch offenen, aber offensichtlich remis aussehenden) Begegnungen auf den Weg ins Hotel. Berlin ist ja nicht nur Schach!
Wer die Partien am Stück nachspielen möchte, findet die überall im Netz, unter anderem auch bei Lichess in deren Studies. Gute Besprechungen der Partien während sie laufen (wenn man des Englischen kundig ist) findet man auch auf chess24.com.
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