Der Schachclub Leinfelden hat seit kurzer Zeit eine Tradition, immer wieder mal nach Baden-Baden zu fahren, um eine hochwertige Schachveranstaltung zu genießen. Und da ich seit ~ 2 Jahren dort auch (passives) Mitglied bin, habe ich die Gelegenheit genutzt, um das Schachjahr 2018 um einen hochwertigen Event mehr zu bereichern. Treffpunkt war um 11:00 Uhr in Leinfelden, so dass genügend Zeit blieb, trotz Stau deutlich vor Rundenbeginn (15:00 Uhr) in Baden-Baden zu sein.

20180407_131757_1523203330018 Lokation und Parkhaus waren schnell gefunden, und bei der Gelegenheit lief uns auch Peter Leko über den Weg. Markus K. (wie es seine Art ist) sprach ihn kurzerhand an, lobte ihn für seine (schon bei der Bundesligapartie in Deizisau genossenen) gelungenen Kommentierungen zu den laufenden Partien. Kurzerhand bekam seine Frau mehrere Handies in die Hand, um den Schachclub Leinfelden (mit Gast) und Peter Leko auf Zelluloid zu bannen. Man stelle sich vor, Vizeweltmeister!

Wir ließen uns dann noch in einem Cafe die Sonne ein wenig auf den Pelz brennen, jeder genoss das gute Wetter, und ein wenig auch das Flair in Baden-Baden (dort sieht man das Geld spazieren gehen …). Der Herausforderer Caruana kam auch noch kurz an unseren Tisch, und sagte „Hallo!“ (nein, Spaß, er kam auf dem Weg zum Turniersaal im Cafe vorbei). Damit wir die besten Plätze dann erhaschen konnten, machten wir uns rechtzeitig auf den Web, um uns in die zu erwartende Schlange einzureihen. Aber große Überraschung, 15 Minuten vor Beginn waren wir die ersten und einzigen Zuschauer! Man stelle sich vor, 5 Spieler der ersten 10 bei einem Turnier, und kein Mensch schaut hin. Kurz vor Beginn hatten sich dann die Reihen gefüllt, und die Spieler trudelten nach und nach ein: Blümbaum zuerst, der wohl den Rückwind seines Siegs der Partie gegen Anand nutzen wollte, dann seine Gegnerin Yifan Hou, die weltbeste Schachspielerin zur Zeit; kurz darauf dann Anand, der es mit dem nächsten deutschen Spieler zu tun hatte, mit Georg Meier; Caruana gegen Vachier-Lagrave; Aronian in modischen Schachschuhen (schwarz-weiß) gegen Vitiugov; und last but noch least Carlsen, der Weltmeister gegen Naiditsch.

DSCN7157 Wir hatten uns mit Kopfhörern ausgestattet. Darüber konnte man (leise) Besprechungen des Großmeisters Bischoff hören, der zwischen den Partien hin und hersprang und seine Eindrücke zum Besten gab. Mit der Unterstützung verstand ich eine ganze Menge mehr, als mir sonst möglich gewesen wäre. Die Partien begannen größtenteils verhalten, nur bei Naiditsch gegen Carlsen konnte ich mein geliebtes Naidorf, wenn auch mit g2-g3, sehen. Die zwei Deutschen schlugen sich gut, auch wenn einige Bedenkzeit schon früh verbraten war. So hatte Bluebaum schon relativ früh die Chance, mit Zugwiederholung (und Schwarz) gegen Yifan Hou einzulenken, was er aber trotz deutlich schlechter Zeit zuerst ablehnte. Die Stellung war aber derart im Gleichgewicht, dass jeder größere Gewinnversuch ein massives Risiko bedeutet hätte, so dass er dann doch in Remis einlenkte.

Aronian hatte sich wohl viel vorgenommen, aber trotz optischem Übergewicht sprang für ihn nichts zählbares dabei heraus. Nach vielen Abtauschen entstand dann ein gleiches Endspiel, so dass die beiden Kontrahenten bald ebenfalls in den Remishafen einliefen.

Anand hatte erneut große Schwierigkeiten gegen einen nominell deutlich schlechteren Gegner, so dass er sich im Mittelspiel für die Hergabe der Qualität für (aus seiner Sicht) bessere Remischancen entschied. Kurz vor der Zeitkontrolle sah es kurzfristig kritisch aus, aber in einem komplexen Entspiel entschied er sich für die dynamische Variante mit Aktivierung des verbliebenen Turms, so dass am Ende die kombinierten Drohungen von Turm und Läufer das Spiel im Gleichgewicht hielten.

Caruna hatte mit Schwarz sich gegen Vachier-Lagrave viel vorgenommen, und ab dem zwanzigsten Zug den Druck ständig erhöht. Er nutzte dann die Schwächen der weißen Damenbauern, holte sich dort verbundene Freibauern, um dann ganz gemütlich auf den Königsflügel zu schwenken, um dort die nächsten Schwächen zu provozieren. Faszinierend, wie er mit möglichst wenig Risiko seine Stellung ständig verbesserte, so dass Vachier-Lagrave schon im 36.sten Zug aufgeben musste.

Der Weltmeister hatte sich einen kleinen, aber zählbaren Vorteil verschafft. Mit einem Bauern auf f3, den Weiß lange nehmen konnte, aber immer mit Nachteil, hatte er einen Störenfried im feindlichen Lager plaziert. Die Dame machte dann Jagd auf die schlecht harmonierenden weißen Leichtfiguren, Naiditsch musste dabei immer mehr Zeit investieren. Im 36.sten Zug hatte er weniger als 1 Minute auf der Uhr, so dass er für die restlichen 4 Züge nur je das Inkrement von 30 Sekunden zur Verfügung hatte. Und in den 4 Zügen handelte er sich dann eine tödliche Fesselung ein, die er bis zum Ende nicht mehr aufbrechen konnte.

Wir mussten uns langsam auf den Heimweg machen, und sahen dann (während der Rückgabe der Kopfhörer) die restlichen Züge von Carlsen bis zum Sieg. Schön, wie der Weltmeister bis zum Schluss auf der Höhe war, und mit dem einfachsten Zug die Partie beendete.

Alles in allem ein sehr gelungener Schachausflug, mit erstaunlich guten Partien, und vor allem vielen Live-Eindrücken. Jeder, der am Montag noch Zeit hat, sollte die letzte Runde sich live anschauen. Eintritt frei, und man sieht Weltklasseschach!!


1 Kommentar

Rafael · 11. April 2018 um 19:50

Da hat man Mal ein Foto mit eine Schach-Berühmtheit und dann trägt er den Pulli From Hell. 🙂

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