Kannst du uns etwas zu deiner Person sagen?
Ich bin jetzt fast 66 Jahre alt und nach fast 35 Jahren Schach-Pause kam ich durch einen Zufall wieder mit dem Schachsport in Kontakt. 35 Jahre lang hatte ich keine Figur mehr angefaßt und plötzlich hat mich wieder die Faszination dieses Spieles gepackt. Es interessierte mich, ob und wie man nach so einer langen Schach-Pause noch spielen kann, an was man sich erinnert, was vergessen wurde, was noch funktioniert. Die Gefühle sind nur schwer zu beschreiben, wenn man dann zum ersten Mal wieder an einem Brett sitzt und den ersten Zug macht.
In jungen Jahren war ich ein begeisterter und aktiver Spieler, insbesondere Mannschaftskämpfe haben mir großen Spaß gemacht, zusammen mit Schachfreunden auf Turniere zu fahren oder sich neben dem Schachverein auch privat zu treffen und gemeinsam zu kämpfen oder zu trainieren. Im Team zu fighten, Freud und Leid zu teilen, Turniere zu veranstalten, gemeinsam Siege feiern oder auch Niederlagen zu verarbeiten, das war eine schöne Sache, die mich sehr begeistert und motiviert hat.
In welchem Alter hast du Schachspielen gelernt und von wem?
Als Kind bzw. junger Teenager hat mich das Spiel interessiert, ich weiß nicht mehr warum mich ausgerechnet Schach interessiert hat. Ein kurzweiliges Anfängerbuch hat mich in das Spiel eingeführt und noch neugieriger gemacht. Während eines Urlaubs habe ich dann mit dem Buch die Grundlagen des Schachspiels gelernt und angefangen zu spielen. Im Grunde habe ich mir das Spiel selbst beigebracht, mit Hilfe von Büchern der damaligen Zeit.
Wann und warum bist du in einen Schachverein eingetreten?
Irgendwann sucht man nach neuen Herausforderungen, neuen Spielpartnern um zum sich auszuprobieren. Da sah ich eine Anzeige in der Zeitung, daß der Schachverein des Ortes ein kleines Jugendturnier veranstaltet. Da bin ich hingegangen und habe mitgemacht. Die Erfahrungen im Turnier waren sehr positiv, es hat großen Spaß gemacht. Der ausrichtende Verein hatte eine kleine Jugendabteilung, da bin ich dann hingegangen und habe gespielt und trainiert, Gleichgesinnte und neue Freunde gefunden.
Was war bisher dein größter Erfolg oder schönste Erfahrung im Schach?
Große persönliche Erfolge habe ich keine gefeiert. Ein schöner Sieg gegen einen IM durch eine schwer zu findende taktische Kombination ist mir in Erinnerung geblieben. Erlebnisse und Siege im Team, in den Schachligen und auf Team-Turnieren, oft auch Schnellschach- oder Blitz-Turniere, das war für mich immer weitaus wichtiger als persönliche individuelle Einzel-Erfolge. Im Team und für das Team konnte ich mich besonders gut motivieren, noch härter kämpfen.
Was war deine schlimmste Niederlage?
Schlimme Niederlagen gab es für mich im Wortsinne nie. Natürlich verliert keiner gerne, auch ich nicht. Niederlagen können ganz schön frustrieren und schmerzen. Jeder Spieler macht Fehler und verliert irgendwann. Wer aus seinen Fehlern und Niederlagen lernt, der kann besser werden.
Womit spielst du lieber? Mit Läufern oder Springern?
Springer faszinieren mich etwas mehr als Läufer. Im Zusammenspiel mit anderen Figuren sind Taktiken und Mattbilder möglich die gerne übersehen werden. Der Springer ist flexibler und trickreicher als ein Läufer einsetzbar.
Wenn du die Dame gegen zwei Türme tauschen kannst, würdest du es machen?
Ich tausche die Dame gerne auch gegen andere Figuren. Wenn das dadurch zu erzielende Resultat es rechtfertigt ;-))
Würdest du eine Partie aufgeben, wenn du eine Figur einstellst oder spielst du weiter?
In freien Spielen, in Trainingspartien, wenn man Blitz- oder Schnellschach spielt und es bestehen keine große Möglichkeiten mehr den Verlust mit Gegenspiel zu kompensieren, dann gebe ich eine Partie auf und spiele lieber eine neue Partie. Anders verhält sich das in Turnieren oder Mannschaftskämpfen. Wer aufgibt hat schon verloren und auch der Gegner kann noch Fehler machen, man kann noch kämpfen. Wenn ein Matt nicht mehr zu verhindern ist, erst dann ist Zeit gekommen die Segel zu streichen und dem Gegner zum Sieg zu gratulieren.
In welchen Situationen nimmst du ein Remisangebot an?
Wenn es z.B der Mannschaft nützt und zum sicheren Sieg verhilft. Oder wenn bei normalem Spielverlauf kein Sieg mehr möglich ist. Den Gegner stundenlang auf Verdacht in ausgewogenen Stellungen mit minimalen Chancen zu plagen und nur darauf zu hoffen, daß dem Gegner doch noch ein Fehler unterlaufen könnte, das halte ich für unsportliche Zeitverschwendung. Nicht umsonst gibt es auch entsprechende Regeln um so einem Treiben ein Ende zu bereiten, z.B. die 50-Züge-Regel.
Welches Verhalten oder Eigenarten des Gegners stören dich am meisten während einer Partie?
Man sollte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wenn ein unsportliches Verhalten eines Gegners während einer „offiziellen“ Partie den Regeln widerspricht, dann setzte ich, wenn es nicht anders geht, dem Treiben entsprechend den Regularien ein Ende. Insgesamt habe ich nur sehr wenige Situationen erlebt, in denen das nötig war. Die meisten Schachspieler sind sehr faire Zeitgenossen. In freien Partien bin ich tolerant, man spielt zum Spaß, zur Unterhaltung, da sollte man nichts auf die Goldwaage legen.
Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel, worin bist du am stärksten und worin würdest du dich am liebsten verbessern?
Nach 35 Jahren Abstinenz spielt man leider oft wieder wie ein Anfänger. Im Grunde bestehe ich nach 35 Pause nur aus schachlichen Baustellen, überall gibt es Bedarf sich zu verbessern und dazu zu lernen, Wissen aufzufrischen oder zu ergänzen.
Wer ist für dich der beste oder wichtigste Schachspieler/in aller Zeiten?
Die „alten“ Meister aus alten Zeiten faszinieren mich teils mehr als die heutigen populären Schachgrößen. Ihre Leistungen sind vielleicht sogar höher zu bewerten als die heutiger Spitzenspieler, auch wenn man die Leistungen nur sehr schwer vergleichen kann. Spieler wie Morphy, Capablanca, Lasker, Aljechin, Tal, Fischer sind für mich herausragende Schach-Persönlichkeiten.
Bei den Frauen gefällt mir die stärkste der Polgar-Schwestern, Judith Polgar sehr gut. Ihr fantasievolles Spiel ist immer wieder sehr inspirierend. Mittlerweile gibt es immer mehr sehr starke Frauen im Schach-Sport. Ich bin gespannt wann die erste Spielerin (wieder) in die absolute Weltspitze vorstoßen wird.
Wer ist aus deiner Sicht der beste Schach-Streamer/-Youtuber/in?
Es gibt einige Streamer, die alle sehr interessant sind, jeder Kanal hat seine Stärken und Schwächen. Ich schaue mir z.B. sehr gerne den Kanal „Rafael Kloth“ an, aber auch Kanäle wie „The Big Greek“, „Gotham Chess“, „GingerGM“, „JanistanTV“, „Saint Louis Chess Club“.
Wenn du einen Wunsch frei hättest, was sich im Schach ändern soll, was wäre das?
Mein größter Wunsch ist, endlich wieder mehr aktive und interessierte Spieler an den Spielabenden der Schach-Vereine zu sehen!
Wenn du einen Wunsch frei hättest, was sich im Verein ändern soll, was wäre das?
Ich habe hier im Verein neue und liebenswerte Menschen kennengelernt. Alle Spieler haben ihre ganz speziellen Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen, kurzum es macht mir viel Freude den Vereinsabend zu besuchen. Als Wunsch was sich ändern sollte, da würde mir gerne noch mehr Beteiligung an den Spielabenden wünschen und daß sich mehr Spieler aktiv einbringen, etwas mehr Team-Spirit. Regelmäßige Trainingsangebote, Trainingsturniere oder ähnliche Aktivitäten etc. wären eine tolle Geschichte.
Was möchtest du im Schach erreichen, gibt es ein persönliches Ziel?
Nach 35 Jahren Schach-Pause, da sind meine Ziele bescheiden geworden. Ich freue mich sehr wieder Begeisterung für und viel Spaß an diesem tollen Denk-Sport gefunden zu haben. Wenn ich es irgendwann wieder schaffen sollte ein gutes, sicheres, zuverlässiges und solides Schach zu spielen, damit wäre ich schon sehr zufrieden. Es gibt jedoch noch viel zu tun auf dem Weg dorthin! Der Weg ist also mein Ziel!
[Interviewfragen von Rafael mit großem Dank an Tom für seine Zeit!]
5 Kommentare
Kai · 20. Juni 2023 um 9:10
Spaß an Mannschaftswettkämpfen zu haben und sich mehr Aktivität im Verein zu wünschen sind doch die besten Voraussetzungen, um das P(assiv) in der Mitgliederliste zu streichen. 😉
Rafael · 20. Juni 2023 um 20:36
Das Beste um sich im Schach zu verbessern ist Turnierpartien mit langer Bedenkzeit zu spielen. Und Ligapartien sind noch geeigneter, weil man mehr Verantwortung und Druck spürt. Man nimmt sie ernster, als wenn man für sich alleine ein Turnier spielt. Und nur, wenn man in Partien bewusst Entscheidungen trifft, dann kann man diese auch sinnvoll hinterher analysieren und überprüfen.
Und deshalb würde ich immer jedem raten Turniere und Liga zu spielen.
Kai · 21. Juni 2023 um 7:22
Die beschriebenen Vorteile beides zu spielen sehe ich auch. Denke aber, dass es sehr individuell ist, ob eine Liga-Partie mehr Verantwortung und Druck erzeugt. Bei mir ist der Druck am größten, wenn ich gegen nominell schwächere Spieler meine gewinnen zu müssen, da spielt es keine Rolle, ob es in der Liga oder einen Turnier ist. Den eigentlichen Lerneffekt in Ligapartien sehe ich darin, dass ich verlorene Stellungen länger auskämpfe oder auch in Remis-Stellungen weiter spiele, immer mit Blick auf das Mannschaftsergebnis.
Tom · 21. Juni 2023 um 13:13
ihr habt beide Recht, jeder auf seine Art. Es ist individuell sehr unterschiedlich wie und wo man Druck oder Verantwortung spürt, ob es einen schwächt oder neue Kräfte frei machen kann. Bei mir ist es so, daß ich mich jetzt wieder auf den „Weg“ gemacht habe. Was dann passiert, wo ich anhalte oder abbiege, welche Ziele ich ansteuere das wird sich ergeben. Es ist ein großer Unterschied ob man neu beginnt oder wieder anfängt. Im Moment arbeite ich daran wieder in die klassischen Formate einzusteigen, sprich Turnierlänge, Turnierfähigkeit, Motivation und Konzentrationsfähigkeit zu erlangen. Das Alter ist dabei eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Die mentale Seite ist ebenfalls eine große Herausforderung die es zu meistern gibt. Das „P“ wird sich so hoffe ich irgendwann verdünnisieren. Wann, wie und wo das wird der Weg zeigen.
Vor dem Enthusiasmus und dem Kampfeswillen den man haben muß um sich z.B. wie z.B. Kai von einem Tunier in das nächste zu stürzen habe ich großen Respekt! Wenn man an seinen mentalen Fähigkeiten arbeitet und es schafft sich außschließlich auf seinen Kampf auf dem Brett zu konzentrieren, dann spürt man keinen negativen Druck mehr und kann sogar neue Kräfte frei machen und ins Spiel investieren. Das macht sehr viel aus und erfordert auch entsprechendes Training. Deshalb ist es wichtig im Team zu spielen. Man lernt dort Fähigkeiten die man als Solist nicht erlernen kann. Einer für Alle und Alle für einen! DAS zeichnet ein Team aus. Im Erfolg wie in der Niederlage. Ein Team muß und kann mehr sein als nur die Summe seiner Teile. In einem Spiel eines Mannschaftskampfs lernt man manchmal mehr als in einem kompletten Turnier! Ich würde mich freuen wieder im Team in die „Schlacht“ zu ziehen oder mich in die Turnier-Arena zu begeben. Doch ein gutes Team ensteht nicht alleine dadurch daß man Spieler nominiert, dazu braucht es mehr als das.
Schaun wir mal was die Zukunft bringen wird. Ich freue mich auf jeden Fall darauf es zu entdecken!
Rafael · 21. Juni 2023 um 20:51
Du hast da ein ganz tolles Hobby für dich wiederentdeckt. Schach kann man als Freizeitbeschäftigung nachgehen oder sogar als Sport, den man auch noch im fortgeschrittenen Alter betreiben kann. Und zusätzlich hält es einen geistig fit. Besser gehts ja nicht. 🙂